Ursprünglich geplant waren vier Tage und das Zinalrothorn. Ein wunderschöner, dominanter Gipfel in den Walliser Alpen. Jedoch musste die Gruppe um Tobias, bestehend aus Anne und Simon, sich leider ein anderes Ziel für das Wochenende 22. – 23. August aussuchen. Geschuldet war diese Entscheidung den zunehmend schlechter werdenden Wettervorhersagen für die Walliser Alpen. Einige Telefonate und SMS später kristallisierte sich ein neues, dem Zinalrothorn ähnliches, Ziel heraus. Es sollte das Gletschhorn klassisch über den Südgrat begangen werden.
Da sich der Wetterbericht immer weiter verschlechterte zogen wir die Begehung kurzerhand auf Freitag vor. Somit stand uns am Freitag ein langer Tag bevor. Früh morgens um drei Uhr trafen wir uns in Illertissen um weiter nach Lindau zu fahren. Anne in Lindau aufgegabelt und mit Vollgas in Richtung Schweiz. Die letzten 200 Hm vom unteren zum oberen Parkplatz Tätsch über die ehemalige Militärstraße schlagen mit 7 CHF zu Buche. Am Kassenautomat konnten zwei weitere Bergsteiger mangels Münzgeld diesen Betrag nicht aufbringen, jedoch fragten sie uns, ob wir ihr Gepäck mit hochnehmen konnten. Gerne halfen wir als Gepäcktransport unter Bergsteigern aus. Angemerkt sei, dass diese Straße wahrlich nichts für tiefere oder tiefer gelegte Autos ist. Einschneidende Wasserablaufrinnen sind selbst für normal hohe Fahrwerke knapp.
Kurz vor sieben Uhr standen wir nun startbereit auf dem oberen Parkplatz kurz nach Tiefenbach. Über einen schönen und nicht zu steilen Weg ging es problemlos dem Tagesziel entgegen. Einige Brücken und Kehren später erblickten wir den Tiefengletscher, oder zumindest das was von ihm aktuell noch übrig ist. Mehrere Markierungen auf großen Steinen zeigen den rapiden Rückgang dieses Eisriesen. Somit kamen wir ohne die Steigeisen anlegen zu müssen bis auf ca. 2.800 m. Im oberen Teil zeigte sich der Tiefengletscher aper. Um dem nun immer brösliger und sandiger werdenden Pfad ausweichen zu können entschlossen wir uns mit Steigeisen auf dem Gletscher weiter zu gehen. Dabei säumten viele sogenannte Gletschertische unseren weiteren Aufstieg. Nachdem wir die letzten Höhenmeter durch blockiges Gelände überwunden hatten, befanden wir uns nach etwas mehr als 2,5 h am Einstieg des Südgrates. Die ersten Seillängen kletterten wir noch mit den Hochtourenschuhen, bevor der Schwierigkeitsgrat schließlich anzog. Deshalb zogen wir unsere Kletterschuhe an und konnten nun voll und ganz den herrlichen Granit genießen. Durch die hochsommerlichen Temperaturen von über 30 °C im Tal war es auch auf über 3.000 m nicht so richtig kalt. In Kombination mit wenig bis keinem Wind und schönen, breiten Standplätzen in der Sonne entpuppte sich der Grat als wahre Traumtour selbst für kälteempfindliche Finger.
Nach einiger Kletterei baute sich vor uns die erste wirkliche klettertechnische Herausforderung auf. Die Schlüsselstelle, eine Verschneidung im Schwierigkeitsgrat 4b. Tobias stieg diese souverän vor und nutze auch jeden der zahlreichen Bohrhaken zur Absicherung. Eine Gruppe Tschechen die sich vor uns befanden, kletterte diese Stelle noch mit Hochtourenschuhen. Was dazu führte das einer davon gleich die Reisfestigkeit seines Seils ausgetestete. Diese Stelle ist mit Tourenschuhen möglich, Spaß macht sie aber weitaus mehr in Kletterschuhen. Auch nicht im Training stehende Kletterer können, vielleicht lag es auch an der durchaus angenehmen Sicherung von oben, diese Stelle souverän frei klettern. A0 wäre ohne Probleme möglich. Nach einigem Links, Rechts, Auf und Ab standen wir vor der zweiten Schlüsselstelle, einer Platte, die mit 4a etwas leichter als die vorherige Stelle bewertet ist. Jedoch empfanden wir diese Stelle als angenehmer und nicht so fordernd wie die Schwierigkeit vielleicht vermuten lässt.
Nach etwas über 5 h seit dem Parkplatz standen wir auf dem Gipfel des Gletschhorn. Das Wetter war super, jedoch versperrten uns Wolken in der Ferne den Blick in Richtung Zermatt und das Matterhorn. Nach kurzer Fotopause, einem herzlichen „Berg heil“ und dem Verstauen der nicht mehr benötigten Ausrüstung machten wir uns an den Abstieg. Hierbei kann man direkt vom Gipfel einmal 25 m abseilen, um dann auf Pfadspuren und durch Steinmännchen markiert weiter abzusteigen. Laut Topo der Albert-Heim-Hütte soll dieser blau markiert sein. Die blauen Markierungen sind jedoch, zumindest im oberen Teil, schon sehr stark verwittert. Der Weg zu den nächsten vier Abseilstellen ist jedoch ohne Probleme zu finden. Somit seilten wir uns final weitere viermal ab und standen wieder im Schnee. Beim Abseilen vernahmen wir Geräusche von Bohrmaschinen und einem Generator. Ein kurzer Blick nach rechts und es kam der provisorische Stützpunk von Strahlern zum Vorschein. Diese suchen unter widrigen Bedingungen nach Kristallen, die sie anschließend im Tal verkaufen.
Nach einer kurzen Pause stiegen wir einen kurzen Teil über den Tiefengletscher ab um anschließend dem zweiten, im Zustieg rechts befindlichen, Weg in Richtung Tal zu folgen. Dieser stellte sich als weitaus weniger sandig und bröslig heraus. Es bietet sich also an, auch im Zustieg eher diese Variante zu wählen. Wenige Zeit später waren wir umringt von riesigen Findlingen, die sich unserer Meinung nach hervorragend zum Bouldern eignen würden. Zwei Kurven weiter bestätigte sich unsere Meinung durch Auffinden von Markierungen und Chalk an den Felsen. Nochmals zwei Kurven weiter fanden wir Boulderer bei ihrem Treiben. Ohne einen Boulderführer dabei zu haben, schien für viele Schwierigkeitsgrade etwas dabei zu sein. Herrlich ruhig und mit angenehmer Frischwasserversorgung in Form eines kleinen Baches lässt es sich in dem Gebiet bestimmt länger aushalten. Auch wir machten wenige Meter weiter unten an einem Gletscherbach halt und gönnten unseren Füßen eine willkommene Abkühlung. Nach dieser langen Pause und einem ausblickreichen Rückweg erreichten wir nach 10 h das Auto.
Übernachtet haben wir im Hotel Tiefenbach, welches Lagerplätze wie man es von Hütten gewohnt ist anbietet. Mit Halbpension ist auch das Hotel im preislichen Bereich von Hütten. Ungewöhnlich für die Schweiz. Da wenig Übernachtungsgäste im Hotel waren, hatten wir zu dritt ein Zimmer, das normal für zehn Personen ausgelegt ist, für uns. Am Abend berieten wir uns bei einem herrlichen drei Gänge Menü über das weitere Vorgehen am nächsten Tag. Der Wetterbericht verhieß nichts Gutes. Nach einigem Hin und Her fassten wir eine Mehrseillängen-Tour am Chli Bielenhorn ins Auge. Frühes Aufstehen war trotz kurzer Anfahrt erneut dem Wetter geschuldet. Da der Wirt erst um halb sechs zu Gange war, wir aber um fünf Uhr Frühstücken wollten, gab er Tobias kurzerhand eine Einweisung, wo was zu finden ist und den Schlüssel zum Gastraum. Somit konnten wir am nächsten Morgen in aller Ruhe im völlig leeren Gastraum unser Frühstück genießen. Auch die Kaffeemaschine haben wir unter unsere Kontrolle gebracht.
Bei Zustieg zum Chli Bielenhorn verschlechterte sich das Wetter immer weiter. Trotz Wettervorhersage, dass es erst am Nachmittag zuziehen soll, wanderten wir schon nach kurzer Zeit im Nebel. Am Einstieg angekommen war schnell klar, mehr als vier Längen werden wir vor dem Regen nicht schaffen. Was tun? Glücklicherweise befand sich nur wenige Gehminuten vom Auto ein Klettergarten. Zwar bedeutete dies, wir sind die 1,5 h zum Einstieg umsonst gelaufen, jedoch hatten wir, wie sich später als sehr nützlich herausstellen sollte, nur 15 min zum trockenen Auto. Die Touren im Klettergarten hatten ein breites Schwierigkeitsspektrum zu bieten. Immer wieder versperrte der Nebel jedoch die Sicht. Nass war der Fels zu Beginn nicht, bis schließlich der Regen einsetzte. Zuerst nur ein paar Tropfen um sich dann schlagartig in riesige Tropfen zu wandeln. Leider musste Anne unter diesen widrigen Bedingungen, gesichert von oben, eine Letzte Tour klettern, um das Material wieder heraus zu bekommen. Dies ähnelte mehr Canyoning als Sportklettern. Schnell zusammengepackt und nass ins Auto. Da der Wirt des Hotel Tiefenbach einen äußerst gastfreundlichen Eindruck gemacht hatte, hielten wir dort erneut. Nach kurzem Abklären durften wir die Duschen, welche übrigens kostenfrei sind, nochmals nutzen und im trockenen Vortragsraum unser Material sortieren. Als Gegenleistung tranken wir noch etwas in der Gaststube, die im Gegensatz zum Morgen nun reichlich mit allerhand von Menschen gefüllt war.
So gingen ereignisreiche zwei Tage zu Ende. Leider nicht das Zinalrothorn, jedoch eine würdige und sehr schöne Alternative.
Vielen Dank an Tobias für das Organisieren dieser Tour, der Unterkunft und das Vorsteigen.
Text: Simon Götz
Bilder Auswahl: Tobias Bailer