Rochefortgrat und Dent du Géant

Vor zwei Jahren wollten wir dem Riesen schon mal auf den Zahn fühlen, mussten dann aber am Einstieg aufgrund des heftigen Windes abbrechen und unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren. Die Nacht damals war kurz, denn man musste ja als einzige Deutsche im kleinen Gastraum der Turiner Hütte (3375m) die deutsche Fußballmannschaft beim EM Viertelfinale gegen Italien unterstützen. Um uns herum nur laute Italiener mit „azzurri“-Bannern – Tobias mutig im DFB-Podolski-Trikot! Die Deutschen gewannen im Elfmeterschießen! Dass wir nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, erfährt unser diesjähriges Team: Tobias, Michael, Andreas und Big gleich nach der Ankunft auf der Hütte am Samstag Nachmittag, als Tobi von einem der italienischen Hüttenmitarbeiter (genannt „Schatzi“) gleich wiedererkannt und mit „Podolski“ angesprochen wird!

Sonntag, 30.06.18

Der Hüttenwirt lobt die guten Bedingungen auf dem Rochefort Grat und so beschließen wir, am Sonntag unser Glück erst einmal auf dem Grat zu versuchen, da dies die längere Tour ist, und uns den Dent du Géant (4014 m) für den Montag aufzuheben. Das heißt 1:45 Uhr aufstehen, frühstücken (würg!) und los. Grandios sind die Ausblicke im Morgengrauen auf den Riesenzahn und den gigantischen Klotz Mont Blanc und seine flankierenden Kameraden Mont Maudit und Tacul. Zunächst geht es gemütlich über den Gletscher, dann stetig steiler werdend über den Bergschrund, dann durch Fels und Eis hinauf bis zur Südseite der Dent du Géant. Dort trennen sich die Wege: nach links geht es zum Einstieg der Dent du Géant, nach rechts auf den Rochefortgrat, der sich tatsächlich von seiner besten Seite zeigt: ausgeprägte Spur, fester Trittschnee.
Tobias – ganz der um- und weitsichtige Führer – mahnt zur Vorsicht und demonstriert uns noch, wie man sich im Falle eines Sturzes sofort auf den Bauch dreht, Spitze des Eisgeräts in den Schnee, Knie in den Boden, Füße mit den Steigeisen in die Luft und mit dem Gewicht des ganzen Oberkörper auf das Eisgerät.
So gebrieft,  laufen wir konzentriert und sicher über den wunderschönen Grat und kommen schneller als gedacht auf der Aiguille de Rochefort (4001 m) an. Die Sonne scheint und der anfangs kalte Wind hat sich gelegt. So gönnen wir uns eine kleine Pause. Mit Blick voraus auf den Dôme de Rochefort (4015 m) und guter Laune wird schnell klar – wir gehen weiter. Der folgende Gratabschnitt wird problemlos gemeistert, dann geht es über Felsblöcke steiler werdend in Richtung Gipfel. Diesen Abschnitt sichern wir (vereinzelte Haken und Standplätze sind vorhanden) bis zum Gipfel und seilen ab, bis wir wieder den Grat erreichen.
Auf dem Rückweg ist es bereits deutlich wärmer und der Schnee auf dem Grat nicht mehr ganz so fest. Außer uns war bis dahin nur noch eine Zweierseilschaft vor uns unterwegs – wir hatten den Grat und Gipfel für uns alleine. Erst als wir wieder zurück zur Aiguille kommen, wird uns unser Glück bewusst: dort hatte sich bereits eine Schlange an der Abseilstelle gebildet. Die meisten gehen also nur bis zur Aiguille und drehen dort wieder um. Bis wir zurück kommen, ist nur noch eine Seilschaft vor uns an der Abseilstelle, und wir wollen eh noch ein Pause machen und den Ausblick genießen. Perfektes Timing! Nach insgesamt ca. 13 Stunden kommen wir müde aber glücklich wieder auf der Hütte an.

Montag, 01.07.18

Perfektes Timing auch am Montag: die Tour auf den Dent du Géant ist zwar nicht so lang, aber die Hütte ist voll, viele wollen auf den Riesenzahn und heimfahren müssen wir ja auch noch. Wir frühstücken also schon um 4 Uhr und schauen, dass wir vor den anderen loskommen. Gegen 6:45 Uhr erreichen wir den südwestseitigen Einstieg. Vor uns ist schon eine Seilschaft in der Wand, nach uns kommt eine weitere, die wir aber schnell hinter uns lassen. Es ist kalt und windig. In Erwartung nicht allzu schwerer Kletterei und den fast durchgehenden Fixseilen steigen wir mit den Bergstiefeln an den Füßen ein. Doch bald zeigt sich, dass es doch nicht so einfach ist wie gedacht. Kalte Finger, glatt polierter Granit. Über die Fixseile sind wir dann doch nicht so unfroh… ein 4er auf 4000 m Höhe ist halt doch was anderes als bei uns zuhause! Nach der zweiten Seillänge ziehen wir die Kletterschuhe an, was sich auf den steilen glatten Platten bewährt. Inzwischen sind die Finger auch etwas aufgetaut, doch wenn man am Standplatz im kalten Wind steht, klappern die Zähne. Der Gipfel besteht aus zwei kleinen Gipfeltürmen. Vom ersten klettert man ab, quert nach Osten und klettert auf den Hauptgipfel (4014 m), auf dem eine kleinen Madonnenstatue steht: Gipfelfoto! Der Abseilstand befindet sich zwischen den beiden kleinen Gipfeltürmchen. Drei Seillängen müssen abgeseilt werden, spannend die zweite, bei der frei hängend zum ca. 10 Meter weiter links liegenden Stand gependelt werden muss.
Um 10 Uhr sind wir wieder unten am Einstieg und können es kaum fassen, wie viele Seilschaften sich dort inzwischen eingefunden haben und Schlange stehen. Wir gönnen uns eine kurze Pause, bestaunen das bunte Treiben um uns herum und sind froh, dass wir so früh los sind – Kälte und Wind zum Trotz – besser als dieses Chaos um einen herum! Gegen 12.30 Uhr sind wir zurück auf der Hütte, packen schnell unsere Sachen zusammen und fahren mit der Gondel wieder nach unten und zurück nach Hause.

Fazit:
5 Länder bereist – Italien, Frankreich, Schweiz, Österreich, Deutschland.
4 Bergsteiger: Tobias, Michael, Andreas und Big
3 4000er in 2 Tagen
2 Top Führer: Vielen Dank an Tobias und Michael!
1 A Bedingungen – besser geht´s nicht mehr!

Text: Birgit Matheis
Bildauswahl: Tobias Bailer

zu den Tourenberichten 2018