Der Hochtouren Einführungskurs vom 21.06. – 23.06. wäre wegen schlechter Wetterprognose beinahe abgesagt worden. Zum Glück fand er jedoch statt: das Wetter war an den drei Tagen viel besser als prognostiziert, sodass wir alle drei Tage zum Hochtourengehen und Üben im Gelände nutzen konnten.
Am Freitagvormittag stiegen wir acht Teilnehmer mit unserem Tourenführer Michael Scharpf vom Parkplatz in Mittelberg im Pitztal (1740m) zur Braunschweiger Hütte (2758m) auf. Gern wären wir vom Ötztal aus über das Rettenbachjoch aufgestiegen, durch einen Moränenabgang war dieser Weg jedoch nicht passierbar. Also blieb uns nichts anderes, als die doch recht schweren Rucksäcke zu schultern und unsere Exen, Eisschrauben, Pickel, etc. erst einmal 1000 Höhenmeter hoch zu tragen… Denkste!! Unser Tourenführer war gewieft genug, den Hüttenwirt um den Gepäcktransport via Materialseilbahn zu bitten, sodass wir mit leichtem Rucksack den über weite Schneefelder führenden Weg zur Hütte bezwingen konnten und schon am Mittag Kaiserschmarren mit Apfelmus genossen.
Nachdem der letzte Kaffee getrunken und die Zimmer bezogen waren, übten wir unweit der Hütte das richtige Abbremsen von Stürzen im steilen Gelände. Außerdem legten wir die Steigeisen an und stapften breitbeinig durch den Schnee. Aufgrund des langen Winters war nämlich weit und breit kein Eis in Sicht, das wir für entsprechende Übungen mit den Steigeisen hätten nutzen können. Einige Erfahrungen konnten wir jedoch auch im Schnee sammeln. Etwa folgende: 1) Wer nicht breitbeinig genug geht, macht seine Hose kaputt. 2) Wer nicht breitbeinig genug geht, piekst sich selbst in die Wade. 3) Wer nicht breitbeinig genug geht, riskiert kaputte Schuhe. 4) Wer nicht breitbeinig genug geht… Ein wichtiges Lernziel war erreicht: Mit Steigeisen muss man breitbeinig gehen!
Im Anschluss übten wir (natürlich ohne Steigeisen und auch weniger breitbeinig) die Prusiktechnik zur Selbstrettung aus einer Gletscherspalte. Wir probierten verschiedene Schlingenlängen aus, hängten mal erst den Umlenk-Karabiner für den Selbstflaschenzug ein oder auch erst die Beinschlinge, diskutierten, was wohl geschickter sei, übten den Gardaknoten (seit diesem Kurs auch als Gerdaknoten bekannt) und Prusikten was die Schlingen hergaben. Hätte es nicht zu regnen begonnen und wäre kein kalter Wind aufgekommen, so wären wir wahrscheinlich noch immer am Prusiken…
Nach dem wohlverdienten Abendessen in der Hütte widmeten wir uns der Tourenplanung für Samstag. Akribisch notierten wir in unseren Marschtabellen Richtungszahlen, Entfernungen und Höhendifferenzen um daraus die benötigte Zeit auf den Gipfel des Linken Fernerkogels (3278m) zu berechnen. Diese Prozedur war, wenn auch recht aufwändig und zeitintensiv, doch ein Aha-Erlebnis für so manchen unter uns: So funktioniert Tourenplanung also ganz analog! Man kann tatsächlich auch ohne Outdooractive die Marschzeit einschätzen – das ist ja der helle Wahnsinn! Beglückt von dieser Erkenntnis, ließen wir uns von der Hüttenwirtin gerne in unsere Zimmer treiben und lauschten dort andächtig den nächtlichen Klängen unserer Bettnachbarn. Oder schliefen auch einfach nur.
Am Samstag hätte es laut unserer Wettervorhersage eigentlich recht regnerisch werden sollen. Doch zum Glück kümmerte sich der Regen nicht um die Prognose und wir konnten nach dem Frühstück bei (fast) blauem Himmel den Wahrheitsgehalt unserer Marschtabellen überprüfen. Ausgerüstet mit allem was unsere Materialliste hergab, zogen wir zum Gipfel des Linken Fernerkogels los. Kurz vor Beginn des vergletscherten Bereichs teilten wir uns in zwei Seilschaften auf, zogen Gurt und Steigeisen an und nahmen unseren Weg über den Gletscher – natürlich breitbeinig – in Angriff.
Mit genügend Abstand zu Felswänden und vermeintlichen Gletscherspalten zogen wir unsere Spur in Richtung Gipfel. Kurz bevor wir diesen erreichten, wurde das Gelände steiler und veranlasste uns dazu, ein gleichmäßiges Zick-Zack-Muster in den Schnee zu zaubern. Ja, tatsächlich lag auch hier auf dem verblasenen Gipfel noch viel Schnee, in den wir zum Teil hüfttief einsanken. Erst direkt unter dem Gipfelkreuz legten wir unsere Steigeisen ab und gingen die letzten Meter auf Fels. Am Gipfelkreuz angekommen, genossen wir das grandiose 360°-Bergpanorama und verspeisten genüsslich unsere mitgebrachten Brote. Die Marschtabellen verstauten wir zufrieden wieder in der Tasche: Sie hatten einen guten Dienst getan, unsere Kalkulation mit 2,5 Stunden reiner Gehzeit hatte hingehauen. Im anschließenden Gipfel-Duell zwischen der Peakfinder-App und Karl-Heinz, unserem wandelnden Gipfellexikon, machte der erfahrene Alpinist das Rennen. Allerdings wies sich der Peakfinder durchaus als ernstzunehmende Konkurrenz aus.
Auf dem Weg zurück zur Hütte stoppten wir an einer Gletscherspalte – der einzigen freiliegenden – und übten dort die Spaltenbergung mit loser Rolle. Wir setzten einen Fixpunkt mittels T-Anker und freuten uns, den Prusikknoten vom Vortag auch jetzt wieder verwenden zu können. Da es inzwischen doch zu regnen begonnen hatte, beendeten wir unsere Übung an der Gletscherspalte nach zwei Durchgängen und setzten unseren Weg zur Hütte fort. Der Abstieg führte uns durch steiles Gelände, das uns zu großen bergab-Hüpfern im Schnee veranlasste. Regen und Kälte trotzten wir mit guter Laune und kamen zwar nass aber doch zufrieden, pünktlich zum wohlverdienten Apfelstrudel in der Hütte an.
Am Sonntag übten wir nochmals das Prusiken am Haus und wiederholten die Bergung mit loser Rolle. Außerdem sammelten wir Erfahrung mit der Rettung durch Mannschaftszug. Wir probierten unterschiedliche Seilschaft-Konstellationen aus: So versuchten zwei Frauen einen Mann mittels Mannschaftszug aus der Spalte zu bergen. Stellt er sich bewusstlos, war dies ein riesiger Kraftakt für die beiden Frauen, arbeitet er mit den Beinen mit, war die Rettung problemlos möglich. Wir erkannten, dass für die Ziehenden bei der Bergung von schweren, sich bewusstlos-stellenden Personen (oder von sogar zwei Personen) eine sitzende Position vorteilhaft ist. Weitere Erkenntnisse konnten wir im Blick auf die Wasserdichtigkeit und Reißfestigkeit unserer Überhosen gewinnen…
Anschließend übten wir das Abseilen im steilen Gelände mit Achter, Tube und französischem Super-Tube, das sich im flachen Gelände dann als doch nicht ganz so super erwies 😊. Zum Abschluss veranschaulichte uns unser Tourenführer Michael das Setzen von Eisschrauben und erklärte, warum man sich in diesem Zusammenhang 3 Uhr oder 9 Uhr merken sollte. Gegen Mittag kehrten wir wieder zur Hütte zurück, vertrauten der Materialseilbahn einen Teil unserer Ausrüstung an und machten uns dann auf den Weg ins Tal. Durch Schneefelder, vorbei an imposanten Wasserfällen des Gletscherbaches stiegen wir hinab zum Parkplatz, den wir gegen 14 Uhr erreichten.
Auf der Rückfahrt legten wir noch eine kleine Pause in einem Wirtshaus im Pitztal ein und blickten auf die gemeinsam verbrachten Tage am und auf dem Gletscher zurück. Das Feedback war rundum positiv: das gute Gruppenklima, die abwechslungsreichen Übungseinheiten, die anschaulich erklärten Theorieinhalte in Verbindung mit einem motivierten und überaus geduldigen Ausbildungsleiter haben die Tage auf der Braunschweiger Hütte zu einer sowohl schönen und unterhaltsamen als auch lehrreichen Erfahrung für uns alle werden lassen.
Wir danken unserem Tourenführer Michael, dass er sich von der grauslichen Wettervorhersage nicht hat einschüchtern lassen und uns diese erste Hochtour-Erfahrung ermöglicht hat. Auf unsere nächste gemeinsame Tour freuen wir uns schon!
Bericht: Verena Riek
Bilder: Florian Fischer, Gerda Rieder, Vincent Vialard, Michael Scharpf
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