Aiguille de Moine – Südgrat

Mer de Glace, Valle Blanche, Montenvers, Grandes Jorasses, Walkerpfeiler und Aiguille du Dru  –  alles sehr berühmte Namen des Montblanc-Gebietes! Und mittendrin im Umfeld dieser großen Namen, die Aiguille du Moine (3412 m), oberhalb des Refuges du Couvercle (2679 m). Der hochgelobte klassische Südgrat auf die Aiguille du Moine war das Ziel von ursprünglich vier hochmotivierten Alpinisten unserer Sektion. Eine lange Klettertour im Hochgebirge mit Kletterpassagen bis zum unteren 6. Schwierigkeitsgrat in bestem Granit. Leider war bei einem von uns schon vor der Abfahrt klar, dass es nichts wird. Ganz kurzfristig wurde der Urlaub gestrichen (Personalengpässe im Rettungsdienst!).


11.08.2023: So fahren nur Simon, Hannah und ich am Freitag um 03:30 Uhr los Richtung Chamonix. Am ersten Tag steht der sehr lange Hüttenzustieg zum Refuge du Couvercle (2679 m) auf dem Programm. Zunächst fahren wir von Chamonix mit der altehrwürdigen Zahnradbahn nach Montenvers (1913m). Wenn man von Montenvers heutzutage auf das Mer de Glace blickt, wird einem der dramatische Gletscherrückgang gnadenlos vor Augen geführt. Denn als im Jahre 1909 die Zahnradbahn eröffnet wurde, reichte das Mer de Glace noch fast bist dort hinauf. Heutzutage muss man sage und schreibe etwas über 200 Höhenmeter (!!!) absteigen, um tief unten den Gletscher betreten zu können. Nach diesem Abstieg geht es erstmal einige Kilometer über das Mer de Glace aufwärts. Noch etwas vor der Verbindung mit dem Leschaux Gletscher geht es nach links hinauf Richtung unserer Hütte. Der Gletscher hat hier extremsteile und glatte Granitplatten freigelegt. Über lange Leitern erklimmt man in der Folge viele Höhenmeter. Ein sehr anstrengendes unterfangen auf den ultralangen und exponierten Leitern. Oben im Wiesengelände geht es nun wieder taleinwärts und man kommt aus dem Staunen ob der herrlichen Aussicht nicht mehr heraus. Nach 5 h und einigen Pausen kommen wir auf der Hütte an und bestaunen die herrliche Panoramalage der Hütte. Insbesondere die direkt gegenüberliegende Nordwand der Grandes Jorasses zieht alle Blicke auf sich. In mir kommen besondere Gefühle und Erinnerungen auf, konnte ich doch im Jahre 2015 den berühmten Walkerpfeiler durch diese Wand begehen.

Bei Simon hat leider im Zustieg eine alte Fingerverletzung wieder angefangen sehr große Probleme zu bereiten. So kam er leider zu der Entscheidung am nächsten Tag nicht mitklettern zu können.

12.08.2023: Noch im Dunkeln gegen 05:15 Uhr starten Hannah und ich mit der Stirnlampe hinaus in die finstere Nacht. Ein unglaublicher Sternenhimmel begleitet uns im Zustieg. Das 200 Höhenmeter lange steile Firnfeld hinauf zum Einstieg bereitet mit Steigeisen und Pickel keine Probleme. Mit dem ersten Tageslicht überschreiten wir den gutmütigen Bergschrund. Nach einer Seillänge deponieren wir die gesamte Eisausrüstung und starten in die lange Klettertour. Im unteren Teil, zunächst noch in der Südflanke, kommen wir schnell voran, sind doch die Schwierigkeiten noch gering. Wir klettern noch alles in Bergschuhen. Mit den ersten Sonnenstrahlen, den immer beeindruckenderen Aus- und Tiefblicken und dem tollen Fels ist es ein Hochgenuss. Wir düsen förmlich durch die Südflanke immer dem Grat entgegen. Oben am Grat angekommen, bringen uns sehr dunkle Wolken über dem Tal von Chamonix etwas ins Grübeln. Es ist erst 8 Uhr und ein nochmaliger kurzer Wettercheck am Handy bestätigt die Vorhersage. Es soll trocken bleiben. Nun folgen ca. 8-9 Seillängen mit den schwersten Kletterpassagen im unteren 6. Schwierigkeitsgrat. Wir wechseln auf Kletterschuhe. Die Route ist komplett selbst abzusichern und bietet viele spannenden Kletterstellen und teils komplizierte Routenführung im Bereich mehrerer Türme und Gendarmen. Nach den schweren Seillängen folgt nochmal ein langer Abschnitt mit einfachem, aber anstrengenden 3er-4er Gelände bis zum Gipfel. Gegen 11:15 Uhr erreichen wir glücklich und zufrieden den Gipfel der Aiguille du Moine (3412m).

Das Wetter treibt uns aber weiter zur Eile, denn im Gipfelbereich beginnt es etwas einzunebeln. In Anbetracht des anspruchsvollen und nicht immer einfach zu findenden Abstieges durch die gesamte Südflanke wirklich nicht unbedingt ideal. So muss leider, eine wegen den Anstrengungen eigentlich nötige Gipfelrast, ausfallen und wir beginnen zügig mit dem Abstieg. Teils abkletternd, abseilend und ablassend manövrieren wir geleitet von Steinmännern bergab. Erst gegen 13:30 Uhr nach der Hälfte des Abstieges, machen wir die erste richtige Pause des Tages, nach über 8h Powerplay. Wir essen endlich richtig was und legen uns für einige Minuten sogar richtig hin und erholen uns. Ein ebener Absatz mitten in der Südflanke hat zu diesem PowerNap förmlich eingeladen. Nun folgt der nicht mehr so anspruchsvolle untere Teil der Südflanke. Ein paar weitere Pausen, Abseilen über den Bergschrund, Absteigen über das steile Firnfeld unter der Wand folgen. Das Wetter hat weiter zugezogen und tatsächlich fängt es auf den letzten 10 min vor der Hütte anzuregen. Gegen 16 Uhr erreichen wir die Hütte und in der Folge gönnen wir uns nicht nur einen leckeren Kuchen.

13.08.2023: Nach einer sehr gemütlichen Hüttenübernachtung mit ausschlafen und gemütlich frühstücken, treten wir nun wieder zu dritt den langen Rückweg nach Montenvers und Chamonix an. Wie schon beim Zustieg ging es wieder über viele viele Leitern hinunter auf das Mer de Glace, dann über den sehr langen Gletscher talabwärts und schließlich wieder hinauf nach Montenvers. Ein wunderschönes Wochenende in einer einzigartigen Landschaft in einer der eindrücklichsten Gegenden unserer Alpen geht zu Ende.

Text: Tobias Bailer
Bildauswahl: Hannah Ganser

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