Die Hüttenwanderung in den Glarner Alpen rund um den Tödi konnte dieses Jahr stattfinden. Weder Corona noch ungünstiges Wetter wie im letzten Jahr hielten uns davon ab, der grandiosen Bergwelt zwischen Linthal und Urnerboden unsere Aufwartung zu machen. Vier Bergbegeisterte im besten Bergsteigeralter, von Ü 63 bis Ü 76, hatten sich gefunden, um die dreitägige Hüttentour, eine durchaus anspruchsvolle und fordernde Unternehmung, wie sich noch herausstellen sollte, in Angriff zu nehmen.
Siglinde und Sigge aus Ulm bzw. Laupheim, trafen sich am Montag um 8:00 Uhr in Lindau mit Renate und mir, die wir vom Überlinger See angereist waren, zur gemeinsamen Anfahrt zum Urnerboden (1380 m) unterhalb des Klausenpasses. Auf dem Parkplatz vor der Kirche stellte man das Fahrzeug ab und rüstete zur Wanderung. Das Wetter sollte es für heute gut meinen, erst gegen Abend war mit einzelnen Gewittern zu rechnen. Das sollte uns reichen, unser heutiges Ziel, die Claridenhütte (2453 m) via Gemsfairenjoch (2846 m) und Abstieg über den Rand des Claridenfirns, trocken und sicher zu erreichen.
Die Luftseilbahn vom Urnerboden zum Fisetengrat erleichterte uns die ersten 700 Höhenmeter und brachte uns zum Startpunkt der Wanderung auf den Fisetenpass (2033 m). Ab hier war stetiges und ruhiges Gehen in der Nordostflanke des Gemsfairenstocks angesagt, anfangs noch über Wiesen- und Schrofengelände mit Weg, später über Fels- und Blockwerksgelände mit Steinmännchen markiert bis zum Gemsfairenjoch, das wir nach ca. 3 Stunden erreichten.
Die Belohnung für die erste Anstrengung war der grandiose, freie Blick auf Tödi und die Gletscherwelt von Clariden- und Hüfifirn.
Der nun anstehende Abstieg vom Gemsfairenjoch hinab zum Claridenfirn und die Traversierung des Gletschers bis zum Erreichen des Weges zur Claridenhütte sollte von uns allen höchste Konzentration und sicheres Gehen verlangen. Auf die ursprünglich ins Auge gefasste Besteigung des Gemsfairenstockes, Mehraufwand ca. eine Stunde, verzichteten wir deshalb nach gemeinschaftlicher Beratung.
Seit dem massiven Rückgang der Gletscher hat sich der Abstiegshang vom Gemsfairenjoch auf den Claridenfirn von einer früher angenehmen Firnpassage zu einem steilen Bröselhang, dekoriert mit Blankeis und Rollsplitauflage, gewandelt. Keine einfache Sache. Jetzt schlug die Stunde von Sigge, unserem alten Bergfex. Souverän und umsichtig führte er die Gruppe durch unsicheres und schwieriges Gelände, bis alle wieder sicheren Boden unter den Füßen hatten.
Die nächsten anderthalb Stunden bis zur Claridenhütte, wo wir bereits angemeldet waren, waren dann nur noch ein einziges Schaulaufen. Wir waren alle glücklich und zufrieden, die heutige Etappe in der grandiosen Kulisse, die sich uns geboten hat, gut gemeistert zu haben.
Die Claridenhütte vom SAC, auf der wir bestens untergebracht und versorgt waren, kann man guten Gewissens weiterempfehlen, angenehme Atmosphäre, nette Wirtsleute, eine blitzsaubere Hütte.
Zwischenzeitlich war das Wetter umgeschlagen, Wolken und Gewitter zogen auf, es begann zu regnen. Eingehüllt in dichte Bewölkung verbrachten wir trotzdem eine angenehme Nacht in der Hoffnung, dass es morgen wieder aufklaren würde.
Der nächste Tag sollte uns hoch hinaufbringen. Die Planurahütte, 2940 m hoch, am Rande des gewaltigen Hüfifirns, war das Ziel. Über die Beggilücke und die Hochebene Ober Sand ging es an den gewaltigen Schlussanstieg zur Planura.
5 Stunden Gehzeit sagte der Wegweiser ab der Claridenhütte, Schwierigkeit T4 auf den letzten 200 Höhenmetern zur Planurascharte. Dass die Zeitangaben der örtlichen Beschilderung und der Führerliteratur sehr ambitioniert sind, hatten wir schon am Vortag festgestellt. Für uns waren es am Ende des Tages fast 7 Stunden reine Gehzeit bei 1200 m Auf- und 650 m Abstieg. Und einen Schlussakkord zur Planura, der sich gewaschen hatte. Auch hier das Thema Gletscherschwund, wie bereits am Vortag. Nur durch weitere kurzfristig eingezogene Fixseile lässt sich der Anstieg zur Planurascharte aktuell noch halbwegs sicher begehen.
Doch der Reihe nach: Ab der Claridenhütte waren wir nicht mehr zu viert, sondern für die nächsten beiden Tage zu fünft unterwegs. Dominica, eine junge Bergsteigerin aus der Slowakei, die ganz alleine unterwegs war, hatte sich uns angeschlossen.
Leider blieben uns aber auch die Wolken den ganzen Tag über treu. Den Tödi bekamen wir die nächsten beiden Tage nie mehr zu Gesicht. Positiv nur, dass wir nie nass wurden und trotzdem einen herrlichen Tag mit vielen schönen kleinen Erlebnissen und einem grandiosen Schlussakkord erlebten.
Ein Erlebnis, das auch altgediente Bergwanderer berührt, war das Auffinden der Alpen- bzw. Bergsteigerblume schlechthin, des Edelweißes. Renate, die uns die ganze Zeit schon mit ihrer profunden Kenntnis der gesamten Alpenbotanik begleitet hatte, war es vergönnt, das Edelweiß im Nebel in der Wiese direkt am Aufstiegsweg zu entdecken. Wir anderen wären sonst wahrscheinlich daran vorbeigelaufen. Nach näherem Umschauen fanden wir nicht nur ein einzelnes Edelweiß, sondern eine ganze Edelweißwiese vor. Sigge nahm dies sogleich zum Anlass, mit seiner Sangeskraft einige Strophen des berühmten melodramatischen Edelweiß – Liedes anzustimmen
Lang zog sich der Aufstieg im Nebel noch hin, erst über steile Bergwiesen, dann über endlose Moränenhänge, abgeschliffene Felsformationen und Schutt- und Blockwerk. Keine Hütte in Sicht, erst eine halbe Stunde vor Erreichen der Planurascharte tauchte sie schließlich schemenhaft hoch oben im Nebel auf.
Nach dem Überwinden des letzten steilen Aufschwunges dann der Knalleffekt und die Belohnung für die Mühen des Tages schlechthin. 20 m unterhalb der Hütte riss der Nebel auf, der Blick wurde frei und die Planurahütte und die umliegenden Gletscherflächen erstrahlten im schönsten Sonnenschein. Wir waren alle überwältigt und genossen die Rundumschau vor der Hütte bis zum Abend bei Windstille und angenehmen Temperaturen. Nur der Tödi verweigerte sich uns wieder, er ließ sich nicht blicken und hüllte sich weiterhin in Nebel.
Der letzte Tag brachte dann den langen Abstieg ins Tal. Wir wählten die Variante oder soll man sagen den Umweg über die Fridolinshütte bis hinunter ins Linthal über Hintersand nach Tierfehd, ohne Alpentaxi. Wer immer in der Gegend schon mal unterwegs war, weiß, welche Dimensionen dieser Weg annimmt. Am Ende des Tages, so gegen 18:00 Uhr in Tierfehd, waren es dann 20 km, 2100 Hm Abstieg und satte 10 Stunden Gehzeit für die Gruppe.
Karl – Heinz war den anderen ab der Fridolinshütte schon vorausgeeilt, um das Alpentaxi ab Hintersand bis Linthal zu nehmen. Schließlich musste noch unser Fahrzeug, abgestellt am Urnerboden, geholt werden. Sehr freundliche, am Urnerboden urlaubende Schweizer, übernahmen den Transport per Anhalter ab Linthal bis direkt zum Parkplatz. Pünktlich um 18:00 Uhr trafen wir uns dann wieder in Tierfehd zur gemeinsamen Heimfahrt.
Abschließend noch ein dickes Lob und ein Dankeschön an die Teilnehmer. Es war beeindruckend, mit welcher bewundernswerten Ausdauer und Freude die drei Tage Bergwandern auf hohem Niveau von allen gemeistert wurden.
Wir hoffen und wünschen, dass wir noch einige gemeinsame Touren miteinander unternehmen können.
Bericht: Karl – Heinz Schmid
Bilder: Teilnehmer