Einer ungeschriebenen Regel folgend, darf ich, The Slow Man, den Tourenbericht schreiben und verliere vorab deshalb eine paar anerkennende Worte:
Es waren vier wunderbare Skitourentage, zwar anstrengend, in einer angenehmen Gruppe, die jederzeit aufeinander achtete und einzelne Konditionschwächen oder Unpässlichkeiten kompensierte. Micheal Scharpf traf bei besonderen Situationen die richtigen Entscheidungen und Ralf ließ mich nicht immer als Letzter ankommen. – Speziellen Dank meinerseits dafür – Danke für die nette Zeit mit Euch.
So nun denn aber mal los…………..
- Tag: Anfahrt Bieler Höhe (2036 m) Rauher Kopf (3101 m) Wiesbadener Hütte (2443 m)
Alle waren pünktlich am Treffpunkt, kurze Materialabsprache und Personenverteilung auf die Fahrzeuge, los ging es Punkt 6:00 Uhr MESZ. Irgendwo in der Pampa bei Wangen, nahmen wir dann noch den einsam wartenden Sebi mit unter unsere Fittiche. Ohne Verkehrsprobleme erreichten wir die Talstation der Vermunt-Bahn in Partenen (Montafon) und wunderten uns über die dort zahlreich geparkten Autos. Klar es waren noch Ferien, gutes Wetter und jeder wollte noch einmal hoch hinaus. Also, – ab in die Skistiefel für die nächsten vier Tage.
Holla, wieso ist der Rucksack so schwer? Kein Wunder, die Checkliste von Michael umfasste gefühlte 20 Seiten, bzw. die vielen Kleinigkeiten für vier Tage ergeben doch auch ihr Gewicht. Egal, wir haben ja Großes vor.
Leider haben wir die erste Bahn verpasst und die Zweite war schon voll. Alle blieben gelassen, wollten wir doch die Zeit miteinander genießen und kein Tourenrennen veranstalten. An der Bergstation stand sofort das Tunneltaxi bereit, das uns zur Bieler Höhe bringen sollte. Schon sehr beindruckend, kilometerweit durch den Berg zu fahren.
Oben angekommen auf 2036 Metern, strahlte nicht nur die Sonne um die Wette. Wir konnten es fast nicht glauben: ein Bilderbuchwetter. Kurzes Vesper, Eincremen und letzte Schnüre überall angezogen, ging es gestärkt mit voller Energie in Richtung Biel Tal los. Dieses zieht sich östlich unterhalb des Hohen Rades bis zum Bieltal-Joch auf 2772 m, in meist sanft ansteigendem Gelände, doch ganz schön hin. Es dauerte nur kurz und alle waren kurzärmlig unterwegs. Die Sonne verwöhnte uns.
Das Bieltal-Joch rechts liegen lassend, den Bieltalferner überquerend, ziehen wir unsere Spur über den Rauhkopfgletscher in Richtung Ski Depot auf ca.3000 m Höhe. Leider ließ uns nun die Sonne im Stich und es zog ein wenig Nebel mit teils heftiger Prise auf. Dort angekommen das übliche Procedere; Ski und Felle versorgen, warm anziehen und kurze Teepause. Alle wollten die restlichen 100 m zum Gipfel noch bezwingen. Gesagt getan. Meinerseits waren aber die Kräfte nicht mehr vorhanden und ich blieb nach Absprache zurück. Jedoch bereits einige Minuten später, klopfte die Kälte bei mir deutlich an, da der Wind nochmals kräftig zulegt hatte. So entschied ich den anderen zu folgen, die allerdings bereits schon wieder auf dem Rückweg waren, denn auf dem Gipfel war es recht ungemütlich. Wir trafen uns auf halben Weg und kletterten einen leicht vereisten kurzen Kamin mit viel Brösel Brösel gemeinsam hinunter.
Zügig machte man sich abfahrtsbereit, da sich die Sicht verschlechterte und jeder sich langsam nach Hüttenwärme sehnte. Sicherheitshalber nahm Michael sein Navi zur Hand. Den Rauhkopfgletscher, mit seinem bereits nassen Schnee, Richtung Westen querend, sehen wir nach kurzen Schiebe- und Steigpassagen, den sicheren Wiesbadener Hafen unter uns. Jetzt hält es keinen mehr. Jeder setzt die letzten Schwünge des Tages in den, von der Beschaffenheit her, unberechenbaren Schnee.
Die Hütte ist gerammelt voll und dementsprechend schwierig noch einen Platz für seine Sachen zum Trocknen zu finden. Bis zum Essen, überbrückt der eine die Zeit mit einem Bierchen, der andere mit ein bisschen Schlaf.
Essenszeit: die zwei Mädels der Hütte laufen zur Höchstform auf. Jeder bekommt flott sein Essen. Getränkebestellungen werden nebenher noch erledigt. Dabei immer freundlich und stets ein nettes Wort. Bewundernswert.
Kurze Tourenbesprechung für den nächsten Tag, danach ab in die Heia.
- Tag: Wiesbadener Hütte (2443 m) Piz Buin (3312 m) Silvretta Hütte (2341 m)
Nachts hatte es ziemlich gestürmt, trotzdem fand jeder seinen gerechten Schlaf und bereit für große Taten wurde gefrühstückt. Noch waren dunkle Wolken am Horizont, aber beim gemeinsamen Auffellen, konnte man die Sonne hinter den Wolken erahnen.
Überall wuselte es und sah man die Tourengänger in alle vier Himmelsrichtungen und Hänge aufsteigen. Irgendwie hatten wir den richtigen Zeitpunkt erwischt. Wir konnten in Ruhe unsere Schritte setzen, ohne dass sich jemand großartig vor oder hinter uns befand. Bei gut griffigem Schnee erreichten wir, einen kleinen Bogen laufend, die „Grüne Kuppe“. Von dort eine typische Gletschermuräne traversierend hinunter zum Gletscherende. Es zeigte sich bereits der Gletscherabbruch von seiner schönsten Seite in der Sonne. Kameras klickten und ein leises Oh und Ah war hörbar.
Nun hieß es anseilen und die (H)arscheisen kamen das erste Mal zum Einsatz. Na so was, zwei Rücksäcke waren ja plötzlich so leicht. Wobei an dieser Stelle erwähnt werden soll, dass jeder immer wieder mal dieser Tage die Bürde eines Seiles auf sich nehmen wollte. In einer Fünfer – und einer Vierer- Seilschaft querten wir nun den ganzen Ochsental Gletscher, um diesen rechterhand zu überwinden. Damit mieden wir den Gletscherabbruch und seine Spalten.
Das Wetter war wechselhaft und mit jedem Schritt ergab sich somit ein neuer Blickwinkel auf das Ewige Eis. Jede Spitzkehre wurde in Ruhe ausgeführt, damit man das kleine Wunder betrachten konnte. Kurze Trinkpause in der Sonne auf bereits 2900 m. Die letzten 150 Höhenmeter bis zum Ski Depot laufen wir gemächlich in einem großen Bogen über die geschlossene Schneedecke des Gletschers.
Am Depot angekommen, wechselte leider wieder das Wetter. Es wurde frisch und die Chance auf einen Weitblick über die Bergwelt war gering. Kurze Vesperpause, Kletterausrüstung an den Gurt, Steigeisen an, zwei Bandschlingen übergestreift und Pickel in die Hand. Gut gewappnet ging es los.
Diesmal hörte Ulrich auf seinen Biorhythmus und blieb zurück. Aber auch er stieg bis zur ersten Kletterstelle auf, um der Kälte zu trotzen. Er hatte dabei das Glück „Resi“ kennen zu lernen und die Wartezeit dadurch angenehmer zu gestalten. Ob Adressen ausgetauscht wurden, bleibt bis heute der Gruppe verborgen………..
Eigentlich war geplant gesichert die Kletterstellen und den anschließenden Kamin zu erklimmen. Einerseits zeigte es sich schnell, dass es für alle keine Schwierigkeit bedeutete, die „Hindernisse“ sicher zu meistern, anderseits sahen wir von unten eine Horde Bergtouristen über den Gletscher anrollen. Mit denen wollten wir nicht nach oben anstehen. Der anschließende geneigte Weiteraufstieg gestaltete sich einfach. Wie bereits vermutet, lag der Gipfel in Wolken, sodass wir uns gegenseitig mit einem „Wünschli Piz“ Anerkennung aussprachen und uns umgehend wieder an den Abstieg machten, damit Ulrich nicht zu lange warten musste. Auch wenn es hier recht nüchtern beschrieben wird, wir waren und sind stolz wie Harry.
Da wenig Schnee und Eis im Kamin lag, vereinzelt auch der pure Fels bereits zum Vorschein kam, entschied Michael, dass wir mit Hilfe einer Prusik am Seil absteigen. Ha, Gott sei Dank, denn just in diesem Moment erschien die ganze Meute von unten, die angespornt von zwei Bergführern am Seil „hochgezogen“ wurden. Kurzfristiges Gedränge im Kamin. Auch nach der Kletterstelle, warteten ungeduldig zwei ital. Führer mit ihren Kunden. Verhältnisse fast wie am Mount Everest. Egal, die kurze Umtriebigkeit beeindruckte uns nicht.
Am Ski Depot versorgten wir unsere Sachen, ließen uns Ulrichs Abenteuer erzählen und machten uns bald auf Richtung Silvretta Hütte. Unter dem Kleinen Piz Buin entlang, querten wir westwärts den obersten Teil des Ochsentaler Gletschers. Dabei haderten wir mit dem schlechten Schnee, denn wir „fuhren“ in Seilschaften ab (von oben hatten wir Spalten (!) gesehen). Die Felle beließen wir auf den Skiern. Mussten wir doch, nach dem kurzen lustigen Abrutschen, wieder eine kurze Strecke zur Fuorcla dal Cunfin aufsteigen.
Ab jetzt befanden wir uns nun auf Schweizer Hoheitsgebiet und durften gleich abfellen. Es galt einen kurzen Stich um einen Felsvorsprung zu bewältigen, damit unser Weg Richtung Silvretta Pass weitergeführt werden konnte. Den Schwung so gut wie möglich bei diesem feuchten Schnee mitnehmen, damit nicht so viel gestockt werden muss, war die Devise. Auffellen, aufsteigen und den Silvretta Pass (3003 m) erreichen, damit nun endlich eine lange Abfahrt über den Silvretta Gletscher genossen werden sollte. Eben sollte. Nur wer skifahrerisch technisch gut unterwegs war, konnte die flach abfallenden Hänge gut bewältigen, denn man traf jegliche Schneeverhältnisse dort an. Verletzungsfrei und gut gelaunt wurde die Hütte in Beschlag genommen, außerdem die letzten Sonnenstrahlen genossen. Zum Abendessen gab es zur Überraschung aller, wieder wie am Vorabend schon, guten Kartoffelbrei, Karotten-Erbsen-Gemüse und Fleischbeilage.
Obwohl eine Gruppe aus dem Voralberg die Hüttenbar bis nachts um halb eins (!) leerte und dementsprechend umtriebig war, träumten wir von weiteren Heldentaten.
- Tag: Silvretta Hütte (2341 m) Sonntag-Spitze (2882 m) Saarbrücker Hütte (2538 m)
Wie von Michael bereits am Vortag informiert, gab es eine Tourenplanänderung. Da aller Voraussicht nach die Kletterei mit Steigeisen in der „Winterlücke“ zur Tortur werden würde (zu warm => zu weicher Schnee), wurde festgelegt, die Sonntag-Spitze östlich zu umlaufen und dann zu erklimmen.
Der Tag fing mit selbstgemachtem Schweizer Bircher Müsli gut an, sodass die ersten 250 Höhenmeter auf dem Silvretta Gletschers Richtung „Rote Furka“, uns unsere Ski von ganz alleine nach oben trugen. Den Stich zur Roten Furka (2688 m) selbst mit ca. 100 Höhenmetern mussten wir uns dann doch hart erarbeiten. Trotz Harscheisen fanden die Ski keinen Halt auf dem noch gefrorenen brettharten steilen Schneehang. Also Steigeisen raus, Ski an den Rucksack und hochwärts. Es wurde uns alles geboten, was so eine Skihochtour mit sich bringen kann. Jedenfalls hatte jeder seinen Spaß dabei. Hallöchen Austria, we are back. Nun galt es einen kleinen Hang abzufahren, um dann anschließend in die „Lange Querung“ des Tages einzusteigen.
Wie gesagt, Lange Querung. Gefühlte zehn Kilometer ein leichtes Auf und Ab mit Harscheisen an den Skier. Ein verdächtiger Hang wurde in Abständen begangen, einige Nassschneeabgänge überstiegen. Die Meisten waren anschließend froh, endlich wieder ein wenig bergauf zu steigen.
Am Fuße des Glötterglescher (ca. 2650 m) wurde Pause gemacht und ein Rucksack Depot eingerichtet, um nun die Sonntags-Spitze an einem Samstag flott zu entern. Wenn hier flott steht, dann war es auch so. Mit erhöhter Schlagzahl und Tiroler Spuranlage, war das Gipfelglück ruckzuck erreicht. Abfahrt, Aufnahme des Gepäcks und Weiterlaufen über Litzner Sattel, um die letzte Querung des Tages abwärts zur Saarbrücker Hütte zu bewältigen. Ha, heute hat es zum „Drü-Bier“ gereicht.
Für Outsider: Drei Uhr Bier! Anständige zogen sich zum Powernapping zurück.
Wider Erwarten gab es heute kein Kartoffenpü etc., sondern es wurde richtig aufgetischt: Kotelett, Salat und feine Soße mit ?………Kartoffeln. Ach übrigens, an jedem Tag waren die Suppen ein Gedicht. Wieder ein herrlicher Tag, trotz Querungen, Querungen, Querun…, Quer..….,Q…,Q…,Q
Gute Nacht.
- Tag. Saarbrücker Hütte (2538 m) Kl. Seehorn (3032 m) Vermunt-Stausee (1743 m)
Guten Morgen?? Unsere Gruppe hatte leider zwei „Invalide“ zu beklagen. Ralf verbrachte wegen einer massive Magen-/Darmverstimmung relativ wenig Zeit in der Koje und Thomas hatte sich am Vortag das Knie ein wenig verdreht; es schmerzte. Beide wollten sicherheitshalber nicht mit auf Tour.
Keine Frage, der ursprüngliche Plan, vom Kleinen Seehorn via Schweizer Lücke zum Vermunt-Stausee abzufahren, wurde verworfen. Stattdessen wurde nur der Gipfel über die Seelücke anvisiert. Anschließend auf gleichem Weg zurück, um mit unsere Kameraden gemeinsam von der Hütte abzufahren.
Gesagt getan. Nur der Gipfel sollte uns heute nicht gegönnt sein. Der steile Hang unterhalb vom Kleinen Seehorn war dermaßen verharscht, dass nur die Harscheisen ein bisschen Grip zeigten. Mit Steigeisen wäre man bis zu den Oberschenkeln eingesunken. Michael ordnete den Rückzug an.
Kein unnötiges Risiko eingehen. Wusste gar nicht, dass man mit Skiern auch gut rückwärts laufen kann. Kurzerhand wurde die Seehorn Lücke als Ziel auserkoren. Ca. 250 Höhenmeter Abfahrt über den Seegletscher, wieder hoch zur Seelücke und ab zur Hütte. Das erste Mal trafen wir ordentliche Schneeverhältnisse an. Unsere beiden Gehandicapten hatten sich zwischenzeitlich gut erholt. Wieder vereint ging es, auf fast präparierter Piste, zur Bushaltestelle Vermunt Stausee bergab.
Auf den letzten Metern wurde der Schnee so sulzig, das klar war, die geplante Abfahrt bis Partenen, wäre eine Plagerei geworden. Ein Tunneltaxi war schnell zur Stelle und das große Glück, direkt anschließend die letzte Gondel vor der Mittagspause hinunter ins Dorf zu ergattern.
Somit konnte die Feedbackrunde in aller Ruhe, bei prallem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen, auf der Terrasse beim Italiener, mit Eis und Kaffee abgehalten werden.
Fazit: wunderbare Tage, in guter Gesellen- und Mädelsschaft. Wiederholens wert!!!
Nochmals Dank an alle.
Romanautor: Uve Roscher
Bilder: Teilnehmer